Los der Arbeiter

Los der /Arbeiter

Als Hitler die Reichsautobahnen einführte, waren Autos noch ein Privileg reicher Leute. Die gehobene Klasse kostete mehr als 40.000 Reichsmark. Hinzu kamen 75 % Unterhaltungskosten pro Jahr bezogen auf den Anschaffungspreis. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 500 Reichsmark war für Arbeiter und Angestellte ein Auto unerschwinglich. Ihnen wurde daher ein „Kraft durch Freude" (KdF)-Wagen für 990 Reichsmark versprochen. Der Gedanke des Volkswagens war geboren.

Unter dem Motto „Wir gehen nicht mehr stempeln, sondern wir bauen Straßen", sollten für den Bau der Reichsautobahnen möglichst viele Arbeitslose beschäftigt werden. Nur mit Schaufel und Spitzhacke ausgestattet zogen Arbeiterkolonnen zu den Baustellen. Für die harte Arbeit gab es allerdings nur einen Hungerlohn, der meist geringer als das Stempelgeld war. Die Reichsautobahn wurde daher spöttisch als „Hunger- und Elendbahn" bezeichnet. Trotzdem war die hiesige Bevölkerung froh über den zusätzlichen Verdienst.

Verbreitet war die Schipperkrankheit, unter der „durch Erwerbslosigkeit arbeitsentwöhnte oder an schwere körperliche Arbeit nicht gewöhnte, schlecht genährte Menschen litten, die unter ungünstigen Arbeitsbedingungen anstrengende Schipparbeit durch Hoch- oder Weitschaufeln verrichten mussten."
Quelle: STOMMER 1982
(Schipperkrankheit = Ermüdungsbruch von Dornfortsätzen der Hals- und Brustwirbel nach Überlastung der Rückenmuskulatur)


„Die meisten Arbeiter waren heimatfern eingesetzt und es blieben nicht wenige bei solchen Lagern hängen, da sie dort der Frau ihres Lebens begegneten. Es ist bekannt, dass in Gräfendorf einige saarländische Arbeiter einheimische Frauen heirateten und sich dort in Sichtweite ihrer ehemaligen Baustelle niederließen."
Quelle: STOCKMANN 2007


„Der Mutterboden (Humus) wurde mühsam von Hunderten von Arbeitern in Handarbeitmit Hacken und Schaufeln gelöst, mit Schubkarren abgefahren und seitlich außerhalb des Baubereichs in Mieten aufgesetzt. Die für die Tätigkeiten eingesetzten Arbeiter wurden im Akkord entlohnt. Pro m3 aufgesetztem Mutterboden wurde vom Unternehmer 1 Reichsmark gezahlt. Gearbeitet wurde in einem Zweier-Team. Ein Arbeiter löste den Mutterboden und der andere verkarrte ihn zu den Mieten, wo er aufgeschichtet wurde."
Quelle: STOCKMANN 2007


„Für je 18 Mann der Belegschaft war ein Abortsitz vorgeschrieben. Sichtschutz oder Kabinen in den Toilettenanlagen waren unbekannt. Toilettenpapier war damals ein Luxus. Daher wurde das Papier der Zeitungen und Zeitschriften gesammelt und in handliche Blätter zerschnitten. Solch ein Packen zerschnittener Blätter wurde am oberen Ende mit einem Draht durchbohrt und im Abort zum Gebrauch aufgehängt."
Quelle: STOCKMANN 2007

 


„Jedem Bewohner stand ein Schrank zur Aufbewahrung seines Eigentums zur Verfügung. Pro Arbeiterlager musste eineLagerbibliothek mit guten neuzeitlichen, d.h. linientreuen Büchern vorhanden sein, die von der Reichsschrifttumsstelle Berlin bezogen werden mussten. In den Lagern war jede Woche eine „Kraft durch Freude" (KdF)-Veranstaltung durchzuführen. Im Gemeinschaftsraum musste ein Rundfunkgerät aufgestellt werden. Von der Wand blickte der Führer auf ausliegende Zeitungen."
Quelle: STOCKMANN 2007


„Im Schlafraum durften nicht mehr als 20 Arbeiter in maximal zwei Betten übereinander nächtigen. Jeder Arbeiter hatte ein Anrecht auf eine Bettstelle aus Eisen oder gehobeltem Holz mit je einem Strohsack und Kopfkissen. Die Bettwäsche war mindestens einmal monatlich zu wechseln; das Stroh nach Bedarf, mindestens aber vierteljährlich. Die Benutzung der Betten in voller Kleidung und mit Stiefeln sowie das Ausspucken in der Unterkunft waren verboten."
Quelle: STOCKMANN 2007


„Die Arbeiter hatten mindestens eine Reichsmark/Tag an Verpflegungsgeld von ihrem Lohn zu entrichten. Jedem Arbeiter stand eine tägliche Mindestportion zu und wurde zur Bewältigung der harten körperlichen Arbeit auch benötigt:

  • 750 Gramm Brot
  • 125 Gramm Wurst oder Belag
  • 125 Gramm Rind-, Hammel-, Kalb- oder Wildfleisch oder
  • 100 Gramm Schweinefleisch oder Speck
  • oder 250 Gramm Fisch
  • 200 Gramm Frischgemüse
  • oder 125 Gramm Hülsenfrüchte
  • 750 Gramm Kartoffeln
  • 100 Gramm Schmalz oder Margarine
  • oder 60 Gramm Butter."

Quelle: STOCKMANN 2007


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